Gehrden. Eigentlich wollte Sebastian Krebs lieber den Vater spielen. Einen Vater, der möchte, dass sein Sohn Billy lernt, sich mit Fäusten zu wehren und ein richtiger Mann wird. Doch nun ist Sebastian Krebs in dem Stück „Billy Elliot – ich will tanzen“ selbst ein Billy. Ein Junge, der Tänzer werden möchte.
Diese Rolle sei ein Herausforderung, sagt der 18-Jährige. „Es erfordert viel, Billy darzustellen.“ Doch Krebs findet die Musicalversion, die der Kurs Darstellendes Spiel des MCG auf die Bühne bringen will, spannend. Auch wenn der junge Holtenser gesteht: „Es ist mir nicht ganz leicht gefallen, das Ballettkleid anzuziehen.“
Die Rolle des Billy hat Lehrer Ludger Deters, der gemeinsam mit Fred Ritzer die Leitung des Stücks hat, doppelt besetzt. Neben Krebs schlüpft auch Miro Gaudino in ein Tutu. Auch für ihn ist es eine besondere Aufgabe. „Aber mir ist es wichtig, auch mal aus einer Komfortzone herauszutreten und über seinen Schatten zu springen“, sagt der 18-Jährige.
Die beiden Zwölftklässler spielen die Hauptrolle in dem Stück, das Ludger Deters zum zweiten Mal in Folge mit einem Kurs Darstellendes Spiel einstudiert. Im vergangenen Jahr war alle Mühe umsonst: Wegen der Corona-Pandemie mussten alle Auftritte abgesagt werden; lediglich im Sommer auf der Waldbühne am Gehrdener Berg konnten einzelne Szene präsentiert werden.
Der zweite Anlauf
Und auch im zweiten Auflauf ist es aktuell mehr als ungewiss, ob es eine Aufführung geben wird. Casting, Leseproben, Monologe zu einzelnen Szenen – mehr ging bisher nicht. Gemeinsam auf der Probebühne stand das Ensemble nicht. Deters Hoffnung: Am 11. September steht das Stück auf dem Programm der Waldbühne Ahmsen im Emsland. „Vielleicht sind bis dahin öffentliche Veranstaltungen wieder möglich“, sagt der MCG-Lehrer.
Aktuell geht aber nichts. „Wir können keine Spielszenen einstudieren“, sagt Deters. Die obligatorische Probewoche auf der Wewelsburg ist bereits abgesagt. „Das ist ein herber Verlust“, so Deters. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. „Nach Ostern wollen wir Vollgas geben“, sagt er.
„Man ist auf sich allein gestellt“
Auch für die beiden Billy-Darsteller ist die ungewisse Zukunft wenig erfreulich. Aktuell sei die Schulzeit anstrengend und belastend. „Wir haben zurzeit viel Arbeit, aber wir sind wenig aktiv“, sagt Krebs. Dazu fehlen die Impulse der Mitschüler. „Man ist sehr auf sich allein gestellt“, bedauert der Zwölftklässler. Es gebe keinen Austausch, Problemstellungen würden nicht mehr gemeinsam, sondern allein gelöst. Er hätte nie gedacht, dass sich solch eine Situation einmal ergeben könnte.
Und die Schultage sind lang. „Wir haben dauerhaft Videokonferenzen“, erzählt Gaudino. Dazu Hausaufgaben und Facharbeiten. Das summiere sich. Oft sitze er bis Mitternacht am Schreibtisch. „Das nagt an mir“, gesteht der Gehrdener.
Unter der gegenwärtigen Lage leidet auch das Theaterprojekt. „Es fehlen die Gemeinschaft und die gegenseitigen Denkanstöße“, sagt Gaudino. Und für Sebastian Krebs ist es aktuell eher schwierig, sich mit dem Stück zu befassen. „Zum aktiven Lernen der Texte bin ich noch nicht richtig gekommen“, gibt er zu.
Stück ist noch nicht bühnenreif
Sollte es dennoch losgehen, dann ist Gaudino davon überzeugt, dass noch ein riesiges Stück Arbeit auf alle 56 Schüler wartet, die an Billy Elliot mitwirken. „Wir sind ehrlich gesagt noch weit davon entfernt, das Stück bühnenreif zu haben“, betont Miro. Übrigens: Dass Deters mit Sebastian und Miro die Rolle des Billy Elliot mit zwei Schülern besetzt hat, hat pragmatische Gründe. Beide hätten unterschiedliche Stärken, die in der Symbiose den idealen Billy auf das Parkett bringen, sagt Deters. Tänzer sind allerdings beide nicht. „Wir haben die Grundlagen trainiert“, sagt Miro. Und sie haben Hilfe von einer Mitschülerin.
Tanzen statt Boxen
Das Stück „Billy Elliot“ handelt von einem elfjährigen Jungen, der in den 90er-Jahren entgegen der Wünsche seines Vaters lieber tanzt als zum Boxtraining zu gehen. Und Billy findet den Mut, die Boxhandschuhe gegen die Ballettschuhe zu tauschen. Trotz des Widerstandes seines Vaters übt er heimlich für seinen großen Traum: Vortanzen an der Royal Ballett School in London.